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Australien

 
Die Kimberleys
[Klima Darwin] [Berichte] [Bilder]
 

1993 + 1998 + 2003 (Legende zur Karte siehe hier
- [Beste Reisezeit: Mai - Sept. (siehe Klima)]

Die Kimberleys, der Inbegriff australischer Einsamkeit. Knapp 40.000 Einwohner auf einem Gebiet, so groß wie Deutschland und Österreich zusammen. Nur zwei Straßen führen durchs Land, eine davon Piste, zumindest 1993, als wir sie befuhren.


[1998] [2003]

Die erste Tour 1993 im 4WD-Buschcamper über die Gibb River Road.

Vorbereitungen: Unser Motto für die nächsten Wochen lautet: Eine einzigartige Natur unter extremen Bedingungen genießen. Wann immer möglich, wollen wir morgens und nachmittags die Landschaft erwandern und die Gegend um unseren jeweilige Standort erkunden, und während der glühenden Mittagshitze die täglich geplanten Kilometer zurücklegen. Deshalb sind wir auch schon sehr früh am Morgen beim Autovermieter, um unser Heim für die nächsten Wochen in Empfang zu nehmen. Fast 2 Stunden dauern die Formalitäten, Übergabe und Einweisung, ehe wir uns mit unserem neuen Gefährt, einem 4,2-Liter- Landcruiser-Campmobil, in die nächsten Abenteuer stürzen können. 'Wenn Ihr Probleme auf dem Weg bis Broome habt, dann ruft uns an. Von Broome bis Perth ist dann unser Büro in Perth für Euch zuständig'. Wie beruhigend, zu wissen, dass man Hilfe anfordern kann. Dass wir auf den nächsten 1.000 km nur drei Stellen passieren, von denen aus überhaupt telefoniert werden kann, wissen wir zu dieser Zeit ja noch nicht.

Die Anreise durchs Northern Territory: Erstmal los, damit wir die ersten Kilometer hinter uns haben. In Katherine im Supermarkt und an der Tankstelle finden wir alles, um die Erstbestückung des Campers mit Lebensmitteln, Getränken und vor allem Eis vorzunehmen. Auch beide Tanks (ca. 140 l Diesel) und die Trinkwasserbehälter werden randvoll gefüllt. Auf dem Victoria Highway geht die Fahrt jetzt in westlicher Richtung nach Kununurra weiter. Es ist eine recht monotone flache Graslandschaft mit wenigen niedrigen Bäumen. Zum erstenmal sehen wir auch einige Rinderherden. Die Tiere stehen dicht gedrängt, um sich gegenseitig Schatten zu spenden in der Gluthitze der erbarmungslos das Land ausdörrenden Mittagssonne. Die einzige Abwechslung in diese Monotonie bringen die Farben der Landschaft: von gelb bis dunkelbraun-rot ist der Boden, das Laub der Bäume schimmert von silbrig-weiß bis dunkelgrün, im Kontrast dazu weiß die Stämme der Eukalypten, die sich wie gebleichte Gerippe in den blauen Himmel recken, an dem die eine oder andere weiße Wolke wie ein unschuldige Lämmchen dahinsegelt. Nach 130 km bringen dann vereinzelte Hügelketten etwas Abwechselung in die Monotonie.

02.10.1993 [507 km] Victoria Highway, Victoria River Inn (Tankstelle, Shop), Red Valley
03.10.1993 [316 km] Victoria River - Lake Argyle - Kununurra
04.10.1993 [21 km] Rundflug Bungle Bungle, Kununurra, Hidden Valley
05.10.1993 [185 km] Gibb River Road nach Jacks Waterhole (Durack River Homestead)
06.11.1993 [152 km] Jacks Waterhole - Mount Barnett Homestead
07.10.1993 [254 km] Mount Barnett Homestead - Windjana Gorge
08.10.1993 [292 km] Windjana Gorge - Fitzroy Crossing (112 km Umweg)
09.10.1993 [406 km] Fitzroy Crossing - Broome

Eine 20 km lange Baustelle gibt einen interessanten Einblick in die Art und Weise, wie man hier Straßen erneuert, bzw. alte Tracks zu Highways ausbaut. Es ist ja Platz genügend vorhanden und so schlägt man einfach eine neue Trasse ins Gelände, Brücken führen über die 'floodways' oder riesige Kanalröhren unterqueren die neue Straße, um die Wassermassen der Frühjahrsregenfälle gefahrlos ableiten zu können. Der alte Victoria Highway fungiert überall für Umleitungen und Zubringer zu den Bauabschnitten. Es wird nicht mehr lange dauern, und niemand weiß mehr, unter welchen Strapazen sich der Verkehr hier oben im Norden bis heute abgespielt hat. 25 km vor dem für heute ins Auge gefaßten Etappenziel wird es plötzlich bergig. Rote schroffe Felswände säumen die Straße. Es geht hinunter in eine Senke, wir erreichen 'Red Valley', das Tal des Victoria River. Eine Tankstelle, eine Hütte und ein riesiges Schild 'Caravan Park', das muss Victoria River Inn sein. Wir beschließen, nach etwas über 500 Kilometern die erste Tagesetappe zu beenden. Für 2 A$ pro Person können wir uns einen Platz im weiten Areal eines Eukalyptuswäldchen suchen. Noch zwei Wagen verlieren sich auf dem riesigen Gelände. Die damit verbundenen Umstände können uns nicht abhalten, zunächst den schon zur guten Gewohnheit gewordenen Nachmittagskaffee zu 'zelebrieren'. Schnell ist die Bordküche in Betrieb und wir sitzen bei Keks, Tee und Kaffee im Schatten eines großen Baumes. Die Ruhe in abgeschiedener Natur hatten wir uns allerdings etwas anders vorgestellt; an den ohrenbetäubenden Lärm der Kakadus in den Wipfeln über uns, werden wir uns wohl gewöhnen müssen.

Obwohl die Hitze nachts nicht nachgelassen hat und wir uns trotz offener Fenster im eigenen Saft gedreht haben, wachen wir ausgeruht vom Morgengesang der Vögel auf. Durch den Canyon des Victoria River mit seinen roten Steilwänden starten wir zur Fahrt durch eine wesentlich abwechslungsreichere Landschaft als gestern. Kurz hinter Timber Creek folgen wir dem Lauf des recht mächtigen Victoria River. Oder sollten das etwa auch hier schon die Wassermassen der ersten Sommerregenfälle sein? Dann tauchen immer öfter die für die Kimberleys typischen Flaschenbäume (Baobabs) auf. Auch das Landschaftsbild ändert sich grundlegend. Die Berge erscheinen fast ausnahmslos als flache 'Tafelberge', da dicke Gesteinsplatten die Erosion verhindern. Der Highway ist auf weiten Strecken noch nicht ausgebaut und oft nur einspurig zu befahren. Was aber nicht weiter stört, es kommt ja sowieso niemand. Nach 267 Kilometern passieren wir die Grenze zu Western Australia. Tatsächlich, hier mitten in der Wildnis gibt es nicht nur eine Grenze, auch ein echter Grenzposten macht Einreisekontrollen. Er will aber nicht wissen, wer die Grenze passiert, ihn interessiert nur das 'was'. Die Einfuhr von Obst und Honig nach Western Australia ist nämlich streng verboten. Wir fahren heute nicht zum Lake Argyl, diesem Stausee, der geschaffen wurden, um das fruchtbare aber wasserarme Land in der Region um Kununurra künstlich zu bewässern. Unser Ziel ist der 'Kona Caravan Park' in landschaftlich schöner Lage direkt am Lake Kununurra, westlich der Stadt. Im Gegensatz zu gestern herrscht hier reger Betrieb. Der in einer parkähnlichen Landschaft unter riesigen schattenspendenden Bäumen gelegene Platz wird nicht nur von Durchreisenden, sondern auch stationär von Dauerurlaubern genutzt. Wir stehen direkt am See und sind auch noch vor dem Auspacken im Wasser. Welcher Genuß, Hitze und Staub im klaren Wasser abzuspülen. Die romantische Stimmung eines Sonnenuntergangs beschließt diesen Tag. Mücken fallen bei Einbruch der Dunkelheit zu tausenden über uns her. Wieder heißt es: Türen und Fenster schließen. Durch die Fliegengitter dringt dann gegen Morgen etwas kühlere Seeluft zu uns herein.

Um 06:15 Uhr stehe ich bereit, um eine der angeblich beeindruckendsten Landschaften Australiens erleben. Bei einen 2-Stunden-Rundflug will ich zu den 'Bungle Bungle' im Purnululu-Nationalpark. Auf dem Camp herrscht noch nächtliche Ruhe. Der versprochene Bus zum Flugplatz kommt nicht und ich werde unruhig. Sollte etwa meine Uhr verkehrt gehen? Es dauert ein Weilchen, bis ich dahinterkomme, dass es wirklich an meiner Uhr liegt. Ich habe mich nicht auf westaustralische Sommerzeit eingerichtet und bin der Zeit 1,5 Stunden voraus. Nach 'neuer' Zeit ist der Bus dann pünktlich. Die kleine 4-motorige Maschine dreht zunächst eine Runde über die Plantagen rund um Kununurra, über das Tal des Ord River mit dem Lake Kununurra. Wir überfliegen den mit seinen vielen Seitenarmen weit ins Land reichenden Lake Argyle und das riesige Loch einer Diamantenmine, ehe in der Ferne die ersten so fremdartig wirkenden Bergkegel der Bungle Bungle auftauchen. Aus der von hier oben zumindest sehr flach wirkenden Landschaft erheben sich dicht aneinander gedrängt unzählige rundgeschliffene Bergkegel. Nur in den Tälern ist eine spärliche Vegetation auszumachen. Die Formationen wirken wie mit einem Überzug versehen. Der Pilot kreist über dem Gelände und wir genießen den Einblick in eine wie auf einem anderen Stern wirkende exotische Bergwelt.
Nach der Rückkehr sehen wir uns noch etwas in der kleinen aufstrebenden Stadt um. Im Polizeirevier erkundigen wir uns nach dem Zustand der Gibb River Road. Es gibt keine Informationen über außergewöhnliche Straßenzustände. 'Mit 4WD befahrbar', heißt es nur. Bei einer Wanderung im nahegelegenen Hidden Valley bietet sich aus nächster Nähe ein unmittelbarer Kontakt mit Bergformationen, wie sie in den Bungle Bungle vorherrschen. Die Sandsteingebilde sind wirklich mit einer gestreiften harten dunklen Masse überzogen, die sie gegen Verwitterung schützt. Die Hitze in der Steinwüste ist allerdings unerträglich. Bei 45°C ziehen wir es vor, unseren Rundgang nicht unnötig in die Länge zu ziehen.
Dagegen wirkt der Park des Caravanplatzes durch die Nähe des Sees direkt wie eine erholsame Oase. Wir nutzen die Möglichkeit, in all' den exotischen Bäumen die einheimische Vogelwelt zu beobachten. Mit einem erfrischenden Bad im Lake Kununurra bringen wir uns dann in die rechte Stimmung, um die Vorbereitungen für die Weiterfahrt in Angriff zu nehmen. Öl, Wasser, Diesel, Kühlung und Reifendruck sind in Ordnung. Das Innere unseres Gefährts wird mit einer kräftigen Dusche Anti-Insekten-Spray eingenebelt, das wir dann 1 Stunde einwirken lassen.

Auf der Gibb River Road. Das war eine wesentlich angenehmere Nacht ohne das agressive Summen blutrünstiger kleiner Sauger. Vergnügt und munter wachen wir auf. Am Tankverschluß des Autos hat sich eine 20 cm lange Gottesanbeterin festgehakt. Es dauert ein Weilchen, bis wir sie in einen Baum umgesetzt haben. Für die kommenden Tage müssen wir uns noch mit Bargeld versorgen, sicher ist sicher. Pünktlich um 09:30 Uhr stehen wir vor der Bank, als diese ihre Pforten öffnet. Fünf Minuten später sind wir wieder auf Achse.
Über den Ord River-Damm verlassen wir Kununurra in Richtung Wyndham und durchqueren dabei noch einmal die großen Plantagen rund um die Stadt. Der heiße Südwind von gestern hat sich gelegt. In nördlicher Richtung steuern wir auf die östlichen Ausläufer der Kimberleys zu. Schier endlos durchschneidet die Straße, wie am Lineal gezogen, das baumbestandene Land. Wie Geisterarme recken sich die weißen Äste der Gum Trees in den strahlend blauen Himmel. Nach 51 km zweigt links die Gibb River Road ab. Wir nehmen uns Zeit, all' die Hinweis- und Warnschilder am Anfang der Straße zu lesen. Dabei fällt mir der Spruch des Autovermieters ein: 'Rufen Sie uns an, wenn Sie Probleme haben.' In den nächsten Tagen dürfte das Problem bei auftauchenden Problemen wohl darin bestehen, ein Telefon zu finden. Dann heißt es: alle Fenster schließen, Klimaanlage auf Außenluft stellen, den Vierradantrieb aktivieren und noch einmal überprüfen, ob alles Gepäck 'rüttel- und hüpfsicher' verstaut ist. Es folgen 125 km, die uns ein absolut neues Fahrgefühl vermitteln, obwohl wir nicht das erste Mal in Australien sind und auch nicht das erste Mal 'gravelroad' fahren. Die Durchquerung des Pentecoast River gestaltet sich harmloser als angenommen, die Furt ist trocken. Trocken ist auch der Bindoola Creek. Also hat es hier oben noch keine Frühjahrsregenfälle gegeben. Die 'gravelroad' ist stellenweise in recht miserablem Zustand, und die Querrillen im Waschbrett erreichen 10 cm Tiefe. Aber auch Sandlöcher, speziell in und hinter Kurven, verlangen volle Konzentration. 'Jack's waterhole', das ist die Markierung zur Durack River Homestead. Hier finden wir unmittelbar am Fluss, inmitten einer einzigartigen Natur, unter riesigen 'paperbark'-Bäumen einen schönen Platz für die Nacht (mit Duschen und WC).
Noch glänzt silbern die Nachmittagssonne im stillen Wasser des Flusses und bunte Eisvögel huschen durch die niedrig hängenden Äste der Bäume am Ufer. Schnell bricht aber die kurze Abenddämmerung herein, und dann sitzen wir unter den funkelnden Sternen des südlichen Nachthimmels. Eine einmalige Faszination geht von dieser Stimmung in der Abgeschiedenheit des großen Landes aus.

Schon um 05:00 Uhr sind wir munter und erwarten den erwachenden Tag. Als eine Stunde später die Sonne über den Horizont steigt, haben wir schon gefrühstückt und sind startklar. Auch heute geht die Fahrt recht langsam voran. Für die ersten 30 km bis zur Furt durch den Durack River brauchen wir 1 Stunde. Es muss lange her sein, dass der 'grader' das letzte Mal die Waschbrettpiste gehobelt hat. Auch die Furt durch den an Jack's Waterhole noch mächtig wirkenden Fluss ist trocken. Die Landschaft ist durch den ständig wechselnden Bewuchs mit dichtem Buschwerk und hohen Eukalypten abwechslungsreicher als gestern. Kurz vor unserem Tagesziel führt ein Abzweig zum Barnett Gorge. Diesen 8 km-Abstecher hätten wir uns sparen können, denn am Ende erwartet uns zwar ein felsiges Tal mit einem kleinen Pool, das aber durch wilde Camper in eine wahre Müllkippe verwandelt wurde.
An der Tankstelle der Mount Barnett Homstead hängt ein großes Schild: 'Zur Zeit Mittagspause'. Nach einem kleinen Plausch mit einem älteren Aborigine fahren wir dann, auch ohne Anmeldung, die letzten 7 km bis zu einem geradezu paradiesischen Campingplatz am Ufer des Manning River. Es herrscht tropische Hitze. Wir haben Glück und finden einen freien Platz unter einem riesigen Boab. Das 'Badezimmer' ist der von tropischer Vegetation eingerahmte und inmitten riesiger Felsbrocken liegende Pool, auf dem an flachen Stellen lila Seerosen blühen. Um 14:00 Uhr fahren wir noch einmal schnell zum 'roadhouse' 'rüber, zahlen die Campinggebühren, und erfahren dabei einiges über Wanderwege am Manning River. Hinter dem Billabong beginnt ein Trampelpfad, gekennzeichnet mit an trockene Zweige gesteckte Cola-Dosen. Es ist recht mühsam, dem für eine ca. 4-stündige Tour 'ausgeschilderten' Pfad in der wilden Landschaft der Berge und Klippen am Flussufer zu folgen. Wir kämpfen uns durch niedriges Gestrüpp. Die Fliegen sind 'mal wieder unerträglich. Hinter jeder Felswand vermuten wir den ersehnten Abstieg in die Schluchten des Manning River. Meine Frau streikt, ich ziehe allein weiter. Wieder führt der Weg steil abwärts, und dann liegen sie wirklich vor mir, die aneinandergereihten Pools mit kristallklarem Wasser im Manning Gorge, einer faszinierenden Felsschlucht. Die Zeit von 4 Stunden hatten wir gedacht, mühelos unterschreiten zu können, um rechtzeitig wieder am Camp zu sein. Vergessen hatten wir dabei allerdings völlig, dass der Abend ziemlich plötzlich hereinbricht. So lassen wir uns auf dem Rückweg von der dem Horizont zustrebenden Sonne hetzen. Um 17:30 Uhr, die Sonne schickt gerade die letzten Strahlen über das ausgedörrte Land, erreichen wir völlig ausgelaugt unser Camp.

Bald ziehen wieder die leckeren Düfte der Mini-Küche aus der Hecktür des Geländewagens. Zum Tagesausklang sitzen wir unter 'unserem' Riesenboab, schreiben Tagebücher und lassen dabei den heutigen Tag noch einmal Revue passieren. Durch das kahle Geäst des Boabs funkeln die blinkenden Sterne des südlichen Nachthimmels.

Der neue Tag begrüßt uns um 05:00 Uhr mit einem wunderbaren Naturschauspiel. Herrliches Morgenrot färbt den Himmel und setzt sich in der spiegelglatten Oberfläche des Sees fort. Es ist, als ob ein riesiges Buschfeuer seine Gluten entfacht hat. In dieser Atmosphäre gehen wir hinüber zum See und genießen ein erfrischendes Bad als Morgenwäsche. Als wir an der Mount Barnett Homstead wieder die Gibb River Road erreichen, herrscht dort noch nächtliche Ruhe.
Auch die Furt durch den Durack River liegt trocken. Über dicke Felsbrocken, die den Untergrund des Weges befestigen, wenn der Fluss Wasser führt, überqueren wir auch den 2. Fluss dieser Tour ohne Komplikationen - etwas spritzen hätte es allerdings schon können. Nach 40 km erreichen wir einen Abzweig, der zur Adcock Gorge führt. Es sind 4 km bis in diese wunderbare Schlucht. Romantische Stille umfängt uns, und im Schatten der roten Steilwände spürt man noch etwas von der nächtlichen Kühle. Verträumt begrüßt uns ein Waran, der sich auf einem Stein mitten im Wasserloch von der Morgensonne durchwärmen lässt.
Dann geht es weiter auf dem roten Band der Gibb River Road. Der Weg erlaubt stellenweise 'flottes' fahren mit 60...80 km/h. Nur vor und in den weiten Kurven heißt es aufpassen. Hier im aufgewühlten losen Sand entscheidet bei zu hoher Geschwindigkeit der Wagen und nicht der Fahrer wohin es weitergeht. Nach weiteren 19 km führt ein Weg zur 10 km entfernten Mount House Station mit Tankstelle und 'store'. Wir ergänzen unseren Eisvorrat. Bald wird die Landschaft erneut bergiger, es tauchen wieder die typischen Tafelberge auf, und wir erreichen die King Leopold Ranges. Die Straße führt durch palmenbestandene Täler und enge Schluchten. Ein markierter Abzweig weist den Weg in die Lennard River Gorge. Auch hier lohnt sich der grandiosen Landschaft wegen ein Abstieg in eine der Schluchten, die der Lennard River in das Felsmassiv gesägt hat. Bis hinunter zu den von wildzerklüfteten Steilwänden eingerahmten, wie Opale schimmernden Wasserlöchern schaffen wir es allerdings nicht. An der von uns gewählten Stelle erscheint der Abstieg doch etwas sehr waghalsig. Die Mittagsglut hält uns dann davon ab, noch nach einem anderen Abstieg zu suchen.
Nach weiteren ca. 60 km durchqueren wir eine von den Wassermassen unbeschreiblich heftiger Regenfälle zerfurchte Hochebene und verlassen die King Leopold Ranges. Durch die Napier Downs und die Napier Ranges erreichen wir nach 208 km erneut den Lennard River. Ein Wasserloch unter der Brücke ist gut zu erreichen und enthält noch ausreichend Wasser, um diese Gelegenheit für ein erfrischendes Bad wahrzunehmen. Kurz hinter der Brücke zweigt dann links die Straße zum Windjana Gorge Nationalpark ab, und vor uns liegen die letzten 21 km dieser Tagesetappe. Unmittelbar vor einer zerklüfteten Steilwand am Ufer des Lennard River finden wir, bereits im Nationalpark, ein schönes Camp mit schattigen Plätzen. Ein unscheinbares handgeschriebenes Schild an der Einfahrt zum Nationalpark weist daraufhin, dass seit gestern die Rangerstation nicht mehr besetzt ist, das Camp aber allen Besuchern zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung steht. 'Nicht besetzt' heißt aber auch, daß in den kleinen Holzkabinen die Duschen abmontiert sind. Wie gut, daß wir uns noch wenige Kilometer vorher im Fluss erfrischt haben. Die Erkundung der engen Schlucht verschieben wir auf morgen. Heute lassen wir uns einfach von der einmaligen Atmosphäre gefangen nehmen. Bis tief in die Nacht will das Geschrei riesiger Kakaduschwärme, die das nahe Wasserloch aufsuchen, nicht verstummen.

Ein Erlebnis besonderer Art und gleichzeitig ein erholsamer Tagesstart ist ein morgendlicher Spaziergang durch die Windjana Gorge. Wir wandern am Ufer des Lennard River durch dichtes Gestrüpp wilder Passionsblumen und beobachten inmitten dieser tropischen Vegetation kreischende Schwärme weißer Kakadus, taumelnde Schmetterlinge und die träge im Wasser treibenden Süßwasserkrokodile. Nur zögernd und widerwillig treten wir den Rückweg an, man könnte hier einen ganzen Urlaub verbringen.
Die heutige Tagesetappe führt zunächst durch abwechslungsreiches Bergland. Nach 38 km über staubige Piste mit Schotter und losem Sand auf allerdings festem Untergrund, erreichen wir den Tunnel Creek Nationalpark. Mit einer wasserdichten Taschenlampe steht einer Wanderung durch den teilweise brusthoch mit Wasser gefüllten 750 m langen Tunnel nichts im Wege und die Süßwasserkrokodile sind harmlos und scheu, das sagen zumindest die Aussies. Wir haben eine solche Taschenlampe nicht und sind auch bei Aussagen über 'harmlose' Krokodile etwas skeptisch, ob die 'crocs' das wirklich wissen.
Obwohl es erst 09:30 Uhr ist brennt die Sonne wieder erbarmungslos vom strahlend blauen Himmel. Nachdem wir uns im Dunkel der Höhle abgekühlt haben, setzen wir unsere Fahrt fort. Es geht jetzt durch flaches Busch- und zum Teil steppenartiges Grasland. Kurvenreich wird es noch einmal, als wir die letzten Ranges vor dem Great Northern Highway überqueren. Am Ende einer langen schnurgeraden Piste stoßen wir dann nach fast 800 km 'gravel road' auf den geteerten Great Northern Highway (Hw No.1). Das heißt dann auch, dass der 4WD wieder deaktiviert werden kann. Das spart eine Menge Diesel wie wir später erstaunt feststellen. Das nächste Camp liegt in der 'verkehrten' Richtung am Highway. Wir biegen also nach links ab. Wie am Lineal gezogen durchquert der Highway die Landschaft. Man hat den Eindruck, das graue Band verschwindet irgendwo in der Unendlichkeit. Nach 46 km erreichen wir Fitzroy Crossing. Welches Glücksgefühl, nach Tagen wieder einen Ort zu erreichen, um alle Vorräte aufzufüllen. Am Ortseingang führt der erste Abzweig direkt zum 'store', hier kann man sogar Gas für den Herd nachfüllen. In der 'Old Crossing Inn' gibt's sogar das geliebte Forster Lager. Dann suchen wir den Abzweig zum Geiki Gorge Nationalpark. Über 100 km kutschen wir herum und suchen den richtigen Abzweig, ehe wir feststellen, dass es die Straße am 'store' vorbei ist, in der wir ja vorher schon waren. Kaum sind wir zurück in der Zivilisation tauchen die ersten Problemchen auf. Im Nationalpark gibt es kein Camp. Das nächste Boot in die Geiki Schlucht fährt erst in einer Stunde. Eine Stunde herumlungern und dann noch ein Camp suchen, danach steht uns nicht der Sinn. Wir fahren zurück und stoßen am östlichen Ortsausgang von Fitzroy Crossing auf ein Juwel. Der Caravan Park der Fitzroy River Lodge ist eine phantastische weitläufige, gut gepflegte und grüne Anlage. Das ist die richtige Umgebung, um 'klar Schiff' zu machen. Zunächst gibt's 'tea for two' und dann entwickeln wir ausgesprochenen Tatendrang. Als die Sonne untergeht haben wir alle Spuren des roten Staubs beseitigt. Die große Wäsche hängt auf der Leine, das Auto ist gewaschen und in unserem Gepäck herrscht auch wieder Ordnung.

Früh wollen wir los, da eine lange Etappe vor uns liegt. Um 04:30 Uhr sind wir schon auf den Beinen. Die frühe Abfahrt können wir aber gleich wieder streichen. Schreck in der Morgenstunde, der erste Reifenwechsel ist fällig. Irgendwo haben wir uns einen 8 cm langen Schlitz in der Reifendecke eingefangen. Unser Bemühen, einen neuen Reifen aufzutreiben, geben wir schnell wieder auf. Vor 09:00 Uhr ist die einzige Werkstatt nicht geöffnet. Wir riskieren es und fahren ohne Ersatzreifen los, 400 km werden wir hoffentlich ohne weiteren 'Plattfuß' überstehen.
Inzwischen ist es aber 07:15 Uhr geworden. Wir genießen auch auf diesem Streckenabschnitt wieder das Gefühl, Australien gehöre uns allein. Es geht durch flaches Grasland mit leichtem Baumbestand gen Westen. Den Reiz dieser Landschaft bilden die ständig wechselnden Farben der Bäume und Büsche, die das Landschaftsbild prägen. Hellgrüne und dunkelgrüne Sträucher, rotbraune Fruchtkapseln, weiße Baumstämme, dunkle Baumstämme, silbriggraue und silbrigweiße Blätter, gelbes Gras, grünes Spinifex und immer wieder und überall rote Erde bilden eine einzigartige Harmonie. Termitenhügel in allen Größen, Farben und Formen und hin und wieder ein Boab, verstärken den Eindruck des Fremdländischen. Weiße, schwarze, rosa Kakadus und ab und zu auch ein Keilschwanzadler sitzen in den Bäumen am Straßenrand und beobachten den spärlichen Verkehr. Am Straßenrand sprießen die ersten lila Blüten-Puschel in großen Flächen und zeugen vom nahenden Frühling, obwohl die tiefen Gräben und steinigen Creeks noch wasserleer sind. Ihre Größe läßt aber erahnen, welche Wassermassen während der 'wet' das Land überfluten. Kein Haus, kein Dorf, das einzige Zeichen von Besiedlung ist ab und zu ein Wegweiser an einem roten Feldweg, der irgendwohin in die Prärie zu einer 'homestead' führt. Nicht die kleinste Wolke belebt das Blau des all' dies überspannenden Himmels.

Auf den meisten Abschnitten der Straße sieht man schon 3 oder mehr Kilometer voraus den Gegenvekehr auftauchen. Auf einer Strecke wie Kassel-Frankfurt überholen wir 10 Caravan-Gespanne und drehen vielleicht 40 mal die Handfläche der linken Hand nach vorne, als Gruß für die Entgegenkommenden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Unberührtheit, Unabhängigkeit und Freiheit.

Nach 220 km stoßen wir auf die Straße nach Derby. Da sich in unserer Situation ohne Ersatzreifen jeder Umweg verbietet, biegen wir nach links ab und nehmen den direkten Weg nach Broome. Diese noch knapp 200 km führen zunächst durch das Mündungsdelta des Fitzroy River und dann durch weites flaches Tiefland. Die ungeheuren Wassermassen der Regenzeit haben tiefe Narben in der Landschaft hinterlassen. Meterhohen Uferböschungen säumen die ausgetrockneten Flussläufe in denen kleine Tümpel die Trockenzeit überstanden haben. Auf riesigen Sandbänken sammeln sich Unmengen abgestorbener und angeschwemmter Baumstämme. An einigen Stellen sind die Furten durch die Flüsse noch erkennbar und auch die Sammelplätze der Siedler und Abenteurer, die manchmal monatelang warten mussten, ehe ein Fluss nach der Regenzeit wieder passierbar war. Inzwischen haben Brücken der Fahrt durch diesen Teil Australiens das abenteuerliche genommen. Wir überqueren noch einige dieser 'Regenzeit-Flüsse', ehe wir am Roebuck Roadhouse nach Broome abzweigen, allerdings nicht, ohne vorher die Tanks wieder zu füllen. Die letzten 38 km sind wieder ein wie an der Schnur gezogenes endlos erscheinendes Straßenband, das sich irgendwo in der Ferne in der flimmernden Luft des Horizonts auflöst.


[1993] [2003]

Die wilde unberührte Küste der Kimberleys [hellblaue Linie]

Mit vierzig (40) Gleichgesinnten 1998 im Katamaran entlang der Kimberley-Küste.

Diese unbeschreibliche, weil so ursprünglichen Landschaft, wollen wir auf eine besondere Art und Weise erkunden. Der erste Abschnitt dieser Australienreise liegt hinter uns. Wir sind allerdings noch tief im Süden, in Adelaide. Schon um 06:50 Uhr steht unser bestelltes Taxi vor der Tür. Erst, als um 08:20 Uhr unsere Maschine gen Darwin abhebt, realisieren wir, dass die nächste Etappe unserer Reise beginnt. Wie oft haben wir uns in den letzten Tagen irgendwo im Outback gewähnt, eingeschlossen in Wasser und Schlamm. Die Flugroute folgt im Norden Südaustraliens direkt dem Oodnadatta Track. Unter uns liegt das Land, dass uns zur Umkehr gezwungen hat. Im schrägen Licht der aufgehenden Sonne blitzen die Wasserlöcher und neu entstandenen Seen wie das Panorama einer finnischen Seenplatte. Besonders eindrucksvoll präsentiert sich das Gebiet des Finke River südlich von Alice Springs. Als wir um 12:00 Uhr die Gangway herabsteigen, empfängt uns ein anderes Australien, unser Australien. Es ist schwül und die Temperatur beträgt 30°C. Im Hotel wird dann große Wäsche gemacht. Mit dem nötigen Kleingeld füttere ich den Waschautomaten. Jetzt haben wir zwei Stunden Zeit. Uns treibt es in die Stadt. Bei einem ausgedehnten Bummel frischen wir Erinnerungen an 1993 auf. Als die zweite Wäsche läuft, brechen wir noch einmal auf. Wir schlendern bis zur Warf, wo die Coral Princess vertäut am Anleger liegt. Der gepflegte Katamaran reflektiert das Sonnenlicht und sein strahlend weißer Rumpf spiegelt sich im ruhigen Wasser der Hafenbucht. Für den nächsten Tag bestellen wir uns eine Taxe.

06.08.1998 an Darwin, Top End Hotel
07.08.1998 10:30 Taxe zum Hafen, 11:00 Uhr an Bord, ab 11:30 Uhr
08.08.1998 Koolama Bay, King George River, Cape Talbot
09.08.1998 Vansittard Bay, Jar Island
10.08.1998 Prince Frederick Harbour, Hunter River
11.08.1998 Port Nelson, Careening Bay, Prince Regent River, King Cascade, Camp Creek
12.08.1998 Kuri Bay, Collier Bay, Raft Point
13.08.1998 Montgomery Reef, Scott's Creek
14.08.1998 Raft Point, Talbot Bay
15.08.1998 Crocodile Creek, Cockatoo Island
16.08.1998 Lacepede Island, Broome
17.08.1998 Ausbooten 08:30 Uhr

Eine prickelnde Ungeduld hat uns erfasst. Die Aussicht auf ein neues Abenteuer, die Erkundung der einsamsten Küste Australiens, hat uns gepackt. Trotzdem bummeln wir noch einmal in Ruhe durch die Stadt. Ob überhaupt und vor allem wo wir wieder Gelegenheit haben werden, uns nach Souveniers umzusehen, ist ja sehr ungewiss. Um 10:00 Uhr fahren wir zum Hafen. Das Gepäck wird sofort an Bord geholt. Wir müssen noch eine Stunde warten, Gelegenheit also, um die ankommenden Gäste zu studieren. Eine halbe Stunde vor der offiziellen Zeit, um 11:30 Uhr, heisst es 'Leinen los', und wir stechen in See.

Schnell haben wir in der großen geräumigen Kabine unser Gepäck verstaut. Ein riesiger Rosenstrauß in unserer Kabine. Es ist keine Aufmerksamkeit der Reederei, muss ich das Geheimnis lüften, es ist ein kleiner Hinweis auf unseren morgigen Hochzeitstag. In gespannter Erwartung gehen wir dann zum ersten Lunch in den gemütlichen Speisesaal. Noch sind alle mit sich selbst beschäftigt. Erst bei der abendlichen Cocktailparty auf dem Oberdeck werden die ersten Kontakte geknüpft und man versucht sich gegenseitig bekannt zu machen. Für das Dinner gibt es keine feste Sitzordnung, und so werden wir im Laufe der Reise immer wieder mit anderen Passagieren zusammensitzen. Das Essen ist ausgezeichnet und vielseitig. Es gibt zwei Hauptessen zur Wahl und eine reichliche Auswahl von Beilagen am Buffet.

Während die Coral Princess bei mäßigem Seegang die Timor See überquert, schlafen wir tief und fest dem nächsten Tag entgegen. Kräftiger ablandiger Wind verzögert unsere Ankunft. Dafür bekommen wir aber schon am frühen Morgen die ersten Wale zu sehen. Wir ankern in der Koolan Bay. Nach dem Lunch steigen wir um in den 'Explorer', ein flaches Beiboot aus Aluminium, auf dem alle 48 Passagiere und 4 Begleitpersonen Platz finden. Getrieben von zwei kräftigen Außenbordmotoren ist diese 'Nußschale' schnell und wendig. Unser Ziel ist der erst 1911 entdeckte King George River. Drei Stunden kreuzen wir durch die einzigartige Landschaft der breiten Bucht und hinein in den von steilen Felswänden gesäumten Fluss. Nur auf kleinen Felsvorsprüngen, dort wo sich Süßwasser sammeln und halten kann, entwickelt sich eine spärliche Vegetation. Wir stoßen bis zu den King George Fällen vor. Obwohl die Regenzeit lange vorbei ist, ergießt sich immer noch ein Strom von Süßwasser über die sonnenüberfluteten Felswände.
Bei der Weiterfahrt herrscht immer noch rauhe See. Die Coral Princess rollt durch das türkisfarbene Meer. In drei Stunden, verspricht der Kapitän, wenn wir Cape Londonderry passiert haben, wird die See ruhiger. Ob rauhe oder ruhige See, wir sind begeistert von dieser Reise entlang der rauhen Küste der Kimberleys. Ja, so hatten wir sie uns vorgestellt. Aber das 'wie', auf diesem schmucken Katamaran mit der freundlichen Crew und der intimen Atmosphäre, das ist schon ein Höhepunkt unserer vielen Australien-Reisen. Einen besonderen Höhepunkt hat der Tag dann, als beim Dinner plötzlich die Lichter ausgehen und der Küchenchef eine leckere Torte präsentiert 'For Christa and Bernd who celebrate their wedding anniversary'. Wir ankern vor Cape Talbot.

Am Morgen laufen wir in die Vansittard Bay ein. An felsiger Küste machen wir einen ersten Landgang. Durch unwegsames Gelände, über verwitterte Gesteinsformationen und durch stacheliges Gestrüpp, bahnen wir uns einen Weg zu versteckten Felsvorsprüngen. In geschützten Nischen und unter Felsvorsprüngen finden wir einige uralte Aborigine-Felsmalereien, die einzigen Zeichen, dass schon vor uns Menschen hier waren. Beim nächsten Abstecher wandern wir einige Meilen in den lichten Busch hinein zu dem Wrack einer 1942 notgelandeten DC3. Dieses Relikt aus dem 2. Weltkrieg hat für die Australier eine besondere Bewandtnis, da es sich mit der tragischen Odyssée der Flugzeugbesatzung verbindet. Von unserem Ankerplatz vor Jar Island bricht ein Teil der Mitreisenden zu einem dritten Ausflug auf, auf der Suche nach weiteren Anzeichen früherer Aborigine-Besiedlung.
Schon um 05:00 Uhr werden die Anker gelichtet und in rauschender Fahrt steuern wir die Bucht Prince Frederick Harbour an. Vor einer imposanten Bergkulisse mit der kleinen vorgelagerten Insel Naturalist Island rauschen die Anker wieder in die Tiefe. Die weit fortgeschrittene Jahreszeit, es ist das Ende der Trockenzeit, veranlasst uns, nicht an den geplanten Hubschrauberflügen zu den Mitchell Falls teilzunehmen. Während sich die Fluginteressenten in einer kleinen Sandbucht auf Naturalist Island versammeln, starten wir zu einem Bootsausflüg mit dem Explorer in den Hunter River. Wir sind hier im regenreichsten Gebiet der Kimberleys. Es ist Ebbe. Durch schmale Wasserrinnen in den Mangrovensümpfen stoßen wir tief in die schlammigen Seitenarme des Flusses vor. Fliegende Fische, Schlammspringer, Reiher und vereinzelte kleine Krokodile ergreifen nur die Flucht, wenn ihnen unser Boot zu nahe kommt. Als wir am Nachmittag bei Flut die gleiche Tour noch einmal unternehmen, sind auch einige Adler auf den Skeletten abgestorbener Baumriesen auszumachen. Ihr Horst thront hoch oben auf einem einsamen Felskegel. Den Tag beschließt bei Sonnenuntergang ein zünftiges australisches BBQ in der Sandbucht von Naturalist Island.

Wir erreichen das Prince Regent Naturreservat. In der Careening Bay, die nur mit Sondergenehmigung angesteuert werden darf, hat 1820 eine Expedition ihre Symbole in einen heute mächtigen Boab, die Australier nennen ihn 'Mermaid Tree', geritzt. Hier mache ich Bekanntschaft mit einem australischen 'Untier'. Von einem kleinen Baum sind mir Hunderte grüner Ameisen auf den Rücken gekrochen. Die Bisse dieser kleinen Biester brennen wie Feuer. Ich bin wohl noch nie so schnell aus dem Hemd gekommen, wie an diesem Morgen.
Der Prince Regent River, Australiens längster geradeaus fließender Fluss (100 km), mündet in das St. George Basin. An seiner Mündung werfen wir Anker. Mit dem Explorer fahren wir durch den von dichten Mangrovensümpfen gesäumten Fluss zu den King Cascade. In einer kleinen Bucht ergießt sich das Wasser auf breiter Front über eine Felskante. Wie ein Schleier hüllt die weiße Gischt den roten Fels ein. Üppiger Pflanzenwuchs und dichte Moospolster säumen den Fuß des Felsens. Eine Oase, geradezu eine Einladung für ein erfrischendes Bad. 'Sie sind wirklich da, seid vorsichtig', warnt unsere Crew vor den allgegenwärtigen Salzwasser-Krokodilen.
Auf der Rückfahrt biegen wir in einen anderen Seitenarm des Flusses ein, den Camp Creek. Nach einem 40-minütigen Aufstieg durch enge Schluchten und über schmale Stege glauben wir zu träumen. Eine malerische Oase mit einem kleinen, von einem Wasserfall gespeisten See. Über steile Felsvorsprünge im roten Gestein erreichen wir das kristallklare Wasser. Hier können wir endlich schwimmen, ohne Krokodile fürchten zu müssen. Nach 5 erlebnisreichen Stunden kehren wir an Bord zurück.

Vorsichtig manövrierend steuert der Captain den Katamaran gegen die mit unheimlicher Kraft in die Bucht strömende Flut. Ein kleiner Vorgeschmack auf die weiter westlich liegenden Küstenabschnitte mit dem höchsten Tidehub der Erde. Als in Campden Harbour ein Ausflug zur Sheep Island, wo 1860 die Ansiedlung von Schafen scheiterte, angekündigt wird, bleiben wir an Bord. Es ist still und stimmungsvoll, als das Schiff in langsamer Fahrt die Insel umrundet, da es bei der starken Strömung unmöglich ist, vor Anker zu gehen. Als wir Kuri Bay passieren, die größte Zuchtperlenfarm außerhalb Japans, haben wir unsere erste Begegnung mit Buckelwalen, die sich auf ihren langen Weg vor die australische Südküste befinden. Unser Ankerplatz liegt am Raft Point, direkt am Eingang zur Doubtful Bay. Ein malerischer Fleck in dieser einzigartigen wilden Landschaft. Steil aufragende Felswände und zerborstene Sandsteinklippen, deren Farbtöne sich im Licht der untergehenden Sonne von Minute zu Minute verändern. Wir sind zu einer kleinen Sunset-Tour unterwegs und beobachten fasziniert, wie das Rot des eisenhaltigen Sandsteins immer intensiver wird, bis es, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, tiefem schwarz Platz zu macht.

Eine Exkursion bringt uns zu den Montgomery Islands, von denen eine nur bei Ebbe sichtbar ist, das Montgomery Reef. In reißenden Kaskaden strömt das Meer jetzt, wir haben ablaufendes Wasser, über das Riff. Acht Meter beträgt der Tidenhub, obwohl kein Engpass die Wassermassen behindert. Die bei ablaufendem Wasser vom Riff gespülten Fische und Schildkröten sind willkommene Beute für die in der schäumenden Gischt lauernden Haie. Wir kurven mit dem Explorer durch dieses einmalige Naturschauspiel und können uns nicht sattsehen an diesen Urgewalten der Natur.
Der nächste Abstecher führt uns zum Scott's Creek. Nach einer halsbrecherischen Kletterparty erreichen wir auch hier einen Wasserfall und einen kleinen krokodilsicheren See. Keiner lässt sich ein Bad im kühlen Wasser zwischen Seerosen und anderen Wasserpflanzen entgehen. Als wir zu unserem Boot zurückkehren, liegt am anderen Ufer eins dieser bis zu 6 Meter langen Ungeheuer. Scheinbar teilnahmslos blinzelt es in die Sonne, hat aber bestimmt das reichhaltige Futterangebot gut im Auge. Auf dem Rückweg fahren wir noch durch die dichten undurchdringlichen Mangrovensümpfe, die den Sound umgeben. Nach Sonnenuntergang brechen wir noch einmal auf, um Krokodile bei ihren nächtlichen Aktivitäten zu beobachten. Im Schein der starken Handleuchte starren die fluoreszierenden Augen aus den mangrovenbestandenen Uferzonen zu uns herüber. Uns schaudert beim dem Gedanken, dass unser Boot kentert und wir den Speiseplan dieser Reptilien anreichern.

Zum Dinner sind wir Gäste am 'captain's table'. Auf dem Achterdeck sitzen wir zu acht mit Peter und seiner Frau zusammen. Es ist eine angeregte und interessante Unterhaltung über die Besonderheiten der Kimberleys und speziell dieser Tour entlang der wilden Nordwestküste Australiens.

Oberhalb des Raft Point befindet sich eine von einem Felsüberhang geschützte große Nische voller Aborigine-Wandmalereien. Die Wandjina-Darstellungen lassen einen heiligen Versammlungsort vermuten. Trotz der frühen Morgenstunde ist der Aufstieg ein schweißtreibendes Unterfangen. Weiter geht es dann über die Collier Bay und durch ein Gewirr kleiner Inseln in die Talbot Bay zu einem anderen Naturschauspiel dieser wilden Landschaft. Man nennt sie die 'Horizontal Falls'. Zwei kleine Buchten sind miteinander und zum Meer hin nur durch eine enge Felspalte verbunden. Hier pressen im Wechsel der Gezeiten, über 12 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Ebbe und Flut, ungeheure Wassermengen hinein und wieder heraus. Wir haben Flut, und der Wasserspiegel des inneren Sees liegt noch immer ca. 2 Meter unter dem Meeresspiegel. Chris, unser Reisebegleiter von der Coral Princess, jagt mit dem Schlauchboot und einigen Unentwegten durch die gurgelnden Wassermassen. Nur mit Mühe gelingt es ihm den Zodiac mit seinen 2 kraftstrotzenden Motoren, gegen die Strömung der Flutwelle wieder ins offene Meer zurückzukehren. Für den Explorer wäre diese Tour ein unmögliches Unterfangen. Wir drehen deshalb noch eine Runde durch einen tief ins Landesinnere reichenden Creek. An den stark gefalteten Steilwänden lassen sich die Erdverwerfungen der frühen Erdgeschichte wie in einem Bilderbuch ablesen. Interessant auch die auf wenigen Kilometern von undurchdringlichen Mangrovensümpfen in lichten Eukalyptuswald wechselnde Flora. An den Steilwänden der Schlucht können wir gut den Wasserstand der Flut ablesen, um rechtzeitig zu den Horizontal Falls zurückzukehren. Obwohl der innere und äußere Wasserpegel gleich hoch erscheinen, hat Scott Mühe den Explorer gegen die immer noch herrschende starke Stömung durch die enge Felsspalte zu manövrieren. Dicht am Ufer umkreisen wir den See. Keine Anzeichen von dem gewaltigen Naturschauspiel, dass sich hier alle 12 Stunden abspielt. Die steilen Uferhänge sind von lichtem Eukalytuswald bestanden, zwischendurch einige exotische Bäume in voller Blüte. Die Ruhe und Abgeschiedenheit ist mit allen Sinnen zu spüren. Wieder sind wir an einem Platz, den vor uns noch nicht viele Menschen gesehen oder betreten haben. Die Kimberleys ziehen uns erneut in ihren Bann. Die Strömung in den hinteren See ist immer noch so stark, dass eine Durchfahrt mit dem Explorer nicht möglich ist. Als wir uns dem schmalen Durchlass nähern, wird das Boot von der reißenden Strömung wie ein Stück Treibholz erfasst, und Scott hat Mühe uns wieder in sicheren Abstand zu manövrieren.

Die Coral Princess passiert Coolan Island. Der größte Teil dieser Insel wurde abgetragen. Er bestand aus einem der reichsten Eisenerzvorkommen der Welt. In den nächsten Jahren soll der Abbau nach ca. 40 Jahren Aktivität mangels Masse eingestellt werden. Vor Cockatoo Island, hier wurde der Erzabbau schon 1986 eingestellt, gehen wir vor Anker. Seit Tagen sehen wir das erstemal nachts wieder Lichter, die nicht von den Sternen kommen.

Der Yampi Sound trennt die Inseln vom Festland. Morgens starten wir zum Crocodile Creek. Über eine fest montierte Eisenleiter, hierher kamen am Wochenende die Bergleute von Koolan Island und Cockatoo Island, erreichen wir ein Wasserloch, dem über einen kleinen Bach Frischwasser zugeführt wird. Nach einer Kletterparty in die Felsen über dem Wasserloch, genießen wir ein erfrischendes Bad, ehe es zum Lunch ein zünftiges BBQ gibt. Unser Ausflugsboot liegt inzwischen 10 Meter unter der Klippe im Sumpf. Wir warten auf die Flut, um den Creek wieder verlassen zu können. Am Nachmittag besuchen wir noch das nach Schließung der Eisenerzmine auf Cockatoo Island angelegte Urlauber-Resort.

Sehr früh setzen wir unsere Fahrt fort, und erreichen gegen Mittag die Lacepede Islands, ein Vogelschutzgebiet. In Begleitung des Mitarbeiters der Naturschutz-Behörde, Tom, dürfen wir auch dieses Naturreservat betreten. Es ist eine Nist- und Brutkolonie der Weißbauchtölpel (Brown Boobies) und von Fregattvögeln. Vögel in allen Wachstumsphasen bevölkern die Inseln, riesige Schwärme drehen ihre Kreise am azurblauen Himmel. Eigentlich wollten wir vor Lacepede Island ankern und übernachten. Die See ist aber so rauh geworden, dass sich Peter entschließt, direkt nach Broome weiterzufahren. Das Schiff tanzt wie eine Boje auf dem Meer. Uns wird so schlecht, dass wir die 'wellfare cocktail party' und das anschließende Dinner verlassen. Im Bett ist es erträglich und so merken wir gar nicht, dass wir den Rest der Nacht im geschützten Hafen von Broome verbringen.

Die Uhren müssen 1,5 Stunden zurückgestellt werden, und so sind wir schon um 04.00 Uhr auf den Beinen. Um 08.00 Uhr gehen wir von Bord. Nach dem herzlichen Abschied von der Crew besteigen wir einen Rundfahrtbus, der uns durch Broome und Umgebung fährt, ehe so nach und nach alle an ihren Bestimmungshotels abgesetzt werden. Wir beziehen unser riesiges Appartment um 12:00 Uhr im großartigen 'Moonlight Bay Hotel'. Dann heißt es 'Erinnerungen auffrischen'. Wir machen einen Stadt- und Einkaufsbummel. Zum Lunch gibt es 'fish'n ships' und zum Dinner wird in der Küche unseres Domizils Hausmannskost zelebriert. Vorher drehen wir allerdings noch ein paar Runden im Swimmingpool, nachdem die große Wäsche ihre Runden im Waschautomaten dreht.


[1993] [1998]

Einhundert Tage für einen Kontinent [grüne Linie]
- Etappe 1 -

Noch einmal - Die wilde unberührte Küste der Kimberleys

'Die Kimberleys', das ist Synonym für den entlegensten nordwestlichen Teil Australiens. Eine wilde Landschaft - annähernd so groß wie Deutschland und Österreich zusammen - durch die bis heute nur eine befestigte Straße führt. Die ca. 40.000 Einwohner ändern nichts an der Tatsache, dass man die Region als unbewohnt bezeichnen kann. Fasziniert von der Abgeschiedenheit und der einzigartigen ursprünglichen Landschaft wollen wir diesen abgeschiedenen Teil Australiens zum dritten Mal besuchen.
Unser Frühstück lassen wir heute aufs Zimmer kommen. Am 1. August 2003 um 09:15 Uhr steht das Taxi, wie bestellt, vor der Tür. An der 'Stoke Hill Wharf' liegt die 'Coral Princess', ein schicker weißer Katamaran. Wir gehen mit nur 48 Gleichgesinnten an Bord des schnittigen Schiffes für eine Fahrt in eins der letzten unerschlossenen Gebiete unserer Erde.

01.07.2003 Taxi zum Hafen, 10:00 Uhr einschiffen, 11:00 Uhr Abfahrt, Dinner an Captains Table
02.07.2003 Seekrank, Nachmittag: King George River
03.07.2003 Bigge Island, Aborigine Rock Art (Wanjini und Bradshaw)
04.07.2003 Hunter River (2 Touren), Barbecue am Strand auf Naturaliste Island
05.07.2003 Careening Bay (Boab von 1820), Prince Regent River mit Kings Cascade
06.08.2003 Spaziergang auf Montgomery Reef, im Explorer durch Scotties Creek, nachts zur Krokodil-Beobachtung
07.08.2003 Im Explorer um Raft Point, Geologie auf Rankin Island, Walbeobachtung
08.08.2003 Talbot Bay (horizontal waterfalls), nachmittags: Baden im Crocodile Creek.
09.08.2003 Im Explorer zur Chambers Island
10.08.2003 Lacepede Island (Brown Boobies, Fregattvögel). 2 Meter hohe Wellen - seekrank, nur zum Dinner, keine Teilnahme am Abschiedsabend
11.08.2003 (Mo) 08:00 Uhr Ankunft Broome, Shuttlebus fährt zur verkehrten Hertz-Niederlassung. 09:00 Uhr HERTZ Campervan

Wir haben Kabine #101. Schnell ist das Gepäck untergebracht und wir stehen an der Reling, um das Auslaufen zu verfolgen. Pünktlich um 11:00 Uhr heißt es 'Leinen los'. In der engen Hafenausfahrt drückt eine Windböe den Katamaran gegen die Hafenmole, als wir aus dem Windschatten eines großen Kriegsschiffs herauskommen. Es kracht ganz heftig, als die Reling des Schiffes zersplittert und durch die Luft wirbelt. An der Stelle, wo wir eben noch das Auslaufen beobachteten, klafft eine riesige Lücke im Geländer. Glück gehabt. Das Essen ist sehr gut und reichhaltig. Nach dem Lunch finden wir  unter der Tür durchgeschoben eine Einladung zum Dinner am 'Captains Table'. Welche Ehre für uns Ausländer. Es wird ein netter sehr unterhaltsamer Abend. Mit uns sind noch fünf weitere Mitreisende eingeladen.

Es folgt eine unruhige Nacht. Der Katamaran tanzt wie eine Nussschale auf den Wellen der stürmischen See. Auf dem Weg nach 'Western Australia' müssen wir das offene Meer, den Joseph Bonaparte Gulf, überqueren. Nach gut 24 Stunden schneller Fahrt über die sehr unruhige Timor-See, ankern wir windgeschützt in der Koolama Bay. Wir haben unser erstes Ziel, die Mündung des King George River, erreicht. Appetit auf Frühstück haben wir unter diesen Umständen allerdings noch keinen. Mir ist auch zum Lunch noch nicht nach Essen.
Unser Ausflugsboot wird das erstemal zum Einsatz kommen. Komfortabel steigen alle Passagiere schon im Bootsdeck in den am Heck hängenden Tender, der dann voll besetzt zu Wasser gelassen wird. Der 'Explorer' rauscht mit rasantem Tempo, getrieben von zwei 500-PS-Maschinen, auf die bewaldete Küste zu. Bald rücken die Uferzonen dichter zusammen. Die Bucht verengt sich zunächst zu einem breiten Fluss. Dann ragen plötzlich steile rote Klippen am Ufer auf, wir haben das Festlandmassiv erreicht. Wenig später sind wir in einer engen Schlucht, die der Fluss im Laufe der Jahrmillionen in den Sandstein gesägt hat und können erahnen, warum ein Großteil dieser Region von Land her überhaupt nicht zugänglich ist. Wir tauchen ein in erdgeschichtliche Vergangenheit. Hier sehen und erleben wir, mit welchen Kräften die Naturgewalten das Gesicht unserer Erde gestaltet haben. Wir spüren zum ersten Mal diesen Hauch des Abenteuers. Nirgends gibt es das geringste Anzeichen davon, ob vor uns schon andere Menschen hier gewesen sind.
Am Ende des Tals sollen uns eigentlich stürzende Wassermassen begrüßen. Mehrere trockene Sommer haben dazu geführt, dass auf dem Hochplateau die Flüsse wenig Wasser führen und dem entsprechend die Wasserfälle schon recht bald nach der Regenzeit wieder versiegen. So auch in diesem Jahr. Die King George Wasserfälle glänzen durch Abwesenheit. Schade.
Beim Abendessen rebelliert mein Magen noch einmal, dann folgt aber eine ruhige Nacht. Als wir am nächsten Morgen vor Bigge Island ankern, sind die Folgen der Seekrankheit endgültig verflogen.

Dass diese Gegend durchaus schon bewohnt war, erfahren wir auf Bigge Island, unserem nächsten Ziel. Heißer Wind fegt über die Insel. Wir sind auf der Suche nach Spuren früherer Besiedlung. Schon vor 50.000 Jahren sollen sie von den indonesischen Inseln hierher eingewandert sein, die Aborigine, Australiens Ureinwohner. Unter Felsvorsprüngen und in Höhlen gibt es viele Relikte der frühen Einwohner in Form von Felsmalereien. Noch heute gelten den Aborigine viele dieser Stellen als heilig. Für uns ist es unvorstellbar, dass man in dieser unerträgliche Hitze leben kann, in der das verdunstende Meerwasser seine Spuren in Form von Salz hinterlässt. Wir suchen und finden einige Stellen mit sogenannter 'Aborigine Rock Art' - Felsmalereien in der zwei Stilrichtungen Wonjina und Bradshaw. Mit dem 'Explorer', dem stark motorisierten Beiboot der 'Coral Princess', starten wir zu einer Fahrt entlang der zerklüfteten Inselküste. Natürlich ist die Abgeschiedenheit dieser Region ein wahres Vogelparadies. Sachkundig informiert von Chris, dem Leiter der Vogelwarte in Broome, bekommen wir sie auch tatsächlich zu Gesicht, die Seeadler, Reiher, Schlangenhalsvögel - eine Kormoranart - und Ibisse.

Eine besondere Überraschung bieten die Kimberleys durch ihre abwechslungsreiche Küstenlinie. Hat der eine Fluss sich eine enge Klamm in den Fels geschnitten, so wälzt sich der nächste, gesäumt von dichten Mangrovensümpfen, träge durch die Wildnis. Es ist der Hunter River, den wir heute besuchen; und es ist an und im Hunter River, wo wir einem der ständigen Bewohner der australischen Nordküste begegnen. Es gibt keinen Küstenabschnitt zwischen Broome in West-Australien und Rockhampton in Queensland, an dem es angebracht ist, ins Wasser zu gehen. Bis zu 100 Kilometer landeinwärts, auch im Süßwasser, sind die bis zu 8 Meter langen menschenfressenden Salzwasser-Krokodile anzutreffen.

Wir ankern in einer Bucht vor der kleinen Insel 'Naturaliste Island'. Der Strand ist krokodilfrei und bestens geeignet für die von Australiern bevorzugte Art der Essensbereitung. Alles, was für die Beköstigung von 50 Personen notwendig ist, wird an Land gebracht für ein zünftiges 'beach barbecue'. Die Bewohner dieser Insel, unzählige Einsiedlerkrebse, tragen ihr Haus mit sich herum und suchen fluchtartig das Weite, als wir den Strand betreten. Saft, Wein, Sekt, Steaks und Würstchen schmecken ausgezeichnet. Für einen Verdauungs-Spaziergang ist am Strand Platz genug. Ein tropischer Abend in netter Gesellschaft unter den roten Felswänden der Kimberley-Küste, Herz was willst du mehr. Die Sonne ist längst hinter dem Horizont verschwunden, als wir in stockdunkler Nacht auf die 'Coral Princess' zurückkehren.

Bei unseren Landgängen gibt es sogenannte 'trockene' oder 'nasse' Landungen. Heute, wir haben einen Ort historischer Bedeutung, die 'Careening Bay' erreicht, ist eine 'nasse' Landung angesagt. Historisch ist dieser Ort deshalb, weil hier ein Baum steht, in den die Mannschaft des Expeditions-Schiffes 'Mermaid' die Jahreszahl 1820 geschnitten hat. Wir stehen also vor einem über 200 Jahre alten Exemplar eines Boab-Baumes, dem Wahrzeichen der Kimberleys. Die Australier nennen ihn nicht 'baobab', sondern nur 'boab' oder 'boab tree'. Es ist die einzige Art des Affenbrot- oder Flaschenbaumes außerhalb der afrikanischen Hemisphäre.
Am fünften Tag unserer Reise ankern wir im 'Saint George Basin', einer tief ins Landesinnere reichenden Bucht im 'Prince Regent'-Naturreservat. Ein breiter Fluss ergießt seine Wassermassen ins Meer. Berühmtheit hat der 'Price Regent River' 1987 erlangt, als eine amerikanische Filmschauspielerin bei einem Ausflug zu den 'King Cascade'-Wasserfällen, alle Ermahnungen in den Wind schlug und beim Baden von einem Krokodil zerfleischt wurde. Wir bewundern die von den Felsen stürzenden Wassermassen aus dem sicheren 'Explorer'. Auf ein erfrischendes Bad verzichten wir gerne und begnügen uns mit den Spritzern der kühlen Gischt.
Aufsteigender Rauch im Frühjahr bedeutet in Australien fast immer 'Buschfeuer'. Gezielt wird das Unterholz der Wälder durch gelegte Feuer beseitigt. Eine seit uralten Zeiten von den Aborigines gepflegte Methode, um Waldbränden in der Trockenzeit die Nahrung zu entziehen. Ob es Unkenntnis oder Unvermögen ist, dass diese gelegten Brände sich heute sehr oft verselbständigen, ist hinterher sicher nicht immer feststellbar. Im saftig grünen Uferwald des 'Prince Regent River' tobt eine Feuerfront. Nach kontrolliertem Buschfeuer sieht das ganz und gar nicht aus.
Am Abend fasst Mark, unser 'Ausflugs-Officer', auf dem Bootsdeck das Tagesgeschehen noch einmal zusammen. Dann wird der Cocktailabend zum Bergfest eröffnet. Die Erlebnisse der vergangenen fünf Tage bieten reichlich Stoff für angeregte Unterhaltungen. Nur Wenige haben ein Auge für den an uns vorbei ziehenden Mount Trafalgar, mit 385 Metern die höchste Erhebung an der Kimberley-Küste, und die in der Abendsonne rot aufflammenden Felsformationen.

Elf Meter beträgt der Tidenhub in weiten Gebieten an der Kimberley-Küste. Für den Kapitän eine gewaltige Herausforderung, für uns ein interessantes Schauspiel, wenn mit ablaufendem Wasser plötzlich Inseln und Riffs aus dem Meer auftauchen. Eines dieser Riffs mit einer Ausdehnung von einigen Quadratkilometern wollen wir besuchen. Nachdem wir einen geeigneten Punkt in den gurgelnden Wassermassen gefunden haben, legt der Explorer an und wir steigen hinauf auf das langsam aus dem Meer steigende 'Montgomery Reef'. Wir wandern über scharfkantige Korallen und bestaunen die vielfältige Meeresfauna. Korallen, Schwämme, Muscheln und Kleinfische kommen ans Tageslicht, um im Sechs-Stunden-Rhythmus wieder im Meer zu versinken.
Selbst hier draußen, wir sind ca. 20 Kilometer vom Festland entfernt, begegnen uns die ständigen Bewohner der Kimberley-Küste, wie alte Baumstämme sehen sie aus, die dahin treibenden Salzwasserkrokodile. Zu verlockend ist für sie das Nahrungsangebot in dem vom Riff strömenden Wasser. Einen recht friedlich Eindruck machen auch die Mangrovensümpfe an den Ufern des Scott's Creek. Eines Besseren werden wir bei einer nächtlichen Tour belehrt. In der Dunkelheit zeigt sich eindrucksvoll, wer hier auch nachts nicht schläft, sondern auf Futtersuche unterwegs ist. Überall am Ufer blitzen die phosphoreszierenden Augen im Schein unserer starken Taschenlampen auf.

Als einen der markantesten Punkte an dieser einzigartigen Küste hatten wir schon vor fünf Jahren den 'Raft Point' empfunden. Bis zu 180 Meter ragen die steilen Wände der Küste auf und geben den Blick frei auf 400 Millionen Jahre Erdgeschichte. Als Alternative zu einem Aufstieg zu weiteren Aborigines-Malereien, die wir kennen, heißt es: 'Der Explorer fährt zur Vogelbeobachtung'. Dafür verzichten wir auf den Landgang. Unter fachkundiger Anleitung von Chris gleitet das Boot dicht am Ufer entlang. Als Höhepunkt erleben wir neben Seeadlern und Reihern eine Gruppe balzender 'Collared Kingfischer', einer besonders großen Art, für die es im Deutschen noch nicht einmal einen Namen gibt.
Wir sind schon auf der Rückfahrt, als über Sprechfunk die Meldung 'Wale vor Raft Point' durchkommt. Nichts wie hin. Tatsächlich, gemächlich zieht da eine Walmutter mit ihrem Nachwuchs die Küste entlang.
Nachmittags klettern wir dann noch auf 'Rankin Island', einer zerklüfteten kleinen Insel, über lose Geröllhalden herum, ein wie uns scheint recht nutzloses Unterfangen.

Die Wassertemperatur und die mit Ebbe und Flut wechselnden Strömungen machen die 'Talbot Bay' zu einem Paradies für die Perlenzucht. Uns interessieren aber mehr die einzigartigen Naturereignisse dieser Küstenregion. Hinter den steilen Felswänden der Küste liegen viele Buchten und Seen, die nur durch enge Felsspalten mit dem Meer verbunden sind. Mit ungeahnter Macht bahnen sich bei Ebbe oder Flut ungeheure Wassermassen ihren Weg durch diese engen Spalten. Einer dieser Durchbrüche hat inzwischen sogar einen Namen. Die so genannten 'Horizontalen Wasserfälle' stehen als Synonym für ein einzigartiges Naturschauspiel. Wir sind allerdings noch etwas früh dran, um dieses Schauspiel zu erleben. Zeit für eine geologische Exkursion in die Schlucht ein nahes Flusstal. Das erste Mal auf dieser Tour sehen wir starke Verwerfungen in den Steilwänden am Ufer, ein Zeichen früherer vulkanischer Tätigkeiten.
In respektvollem Abstand von den durch das Tor strömenden Wassermassen dümpelt der Explorer in einer Bucht. Wer unbedingt noch einen Adrenalinstoß benötigt, fährt mit dem 'Zodiac' in rasender Geschwindigkeit durch die gurgelnden Wassermassen des engen Durchlasses. Der Explorer wartet, bis auf beiden Seiten ungefähr gleich hoher Wasserstand erreicht ist, ehe die Mannschaft den Durchbruch passiert.
Den Nachmittag verbringen wir an einer hoch auf den Klippen der Küste liegenden Badestelle, dem 'Crocodile Creek'. Wir genießen die Kühle des frischen Pools abseits von krokodilverseuchten Gewässern. Der kleine Tümpel ist bei Ebbe nur über eine eiserne Leiter zu erreichen. Die Stelle war das Wochenend-Ausflugsziel der Bergarbeiter von Coolan Island und Cookatoo Island, zweier Eisenerzinseln in der Nähe.

Zu unserem Hochzeitstag spendiert uns die Besatzung eine Lage Sekt an der Bordbar. Von einigen Mitreisenden aus Süd-Australien (Ross + Dorothy, Jim + Ann) werden wir zum Besuch auf ihrer Farm in Naracoorte eingeladen.

Noch eine Inselumrundung steht als Unterbrechung der Weiterfahrt an. Chambers Island fasziniert besonders durch seine wild-zerklüfteten Felsformationen. Eigenartige Wasserströmungen und Strudel haben hier schon einige Schiffsbesatzungen in Schwierigkeiten gebracht.

Lacepede Islands heißt ein aus drei Sandbänken bestehendes Vogelschutzgebiet weit vor der Küste. Es ist die letze Station auf unserer Kreuzfahrt. Von Chris geführt, gehen wir auf einer der Inseln an Land. Hautnah erleben wir die Vogelkolonie. 'Brown Boobies' heißen die 'Weißbauch-Tölpel' in Australien. In allen Wachstumsstadien erleben wir die Jungvögel, die im hohen Gras auf die Rückkehr der Eltern vom Fischfang warten. Der Zutritt zur Fregattvogel-Kolonie bleibt uns wegen des noch frühen Brutstadiums leider verwehrt. Wir begnügen uns mit dem Anblick der majestätisch am Himmel kreisenden Vögel.
Dann nimmt der Katamaran ein letztes Mal Fahrt auf. Wir steuern Broome an, die Perlenfischer-Stadt am nördlichsten Ende der westaustralischen Küste. Unterbrochen wird die allgemeine Ruhe vom erneuten Ausruf 'Wale an Backbord'. Die flotte Fahrt der 'Coral Princess' bietet einigen sportlich Ambitionierten Gelegenheit, mit langer Schnur und Schlepphaken ihr Glück als Angler zu versuchen. Für uns ist die Fahrt über erneut - wie am ersten Tag - rauhe See mit zwei Meter hohen Wellen, Anlass, sich in der Kabine wieder in die Waagerechte zu begeben. Am Abschiedsdinner nehmen wir nicht teil. Als wir in Reichweite des Festlands kommen, hat Chris Kontakt mit der Vogelwarte aufgenommen und uns einen Platz im Camp des Bird Observatory reserviert.


[1993] [1998] [2003]


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